In seinem lesenswerten Urteil vom 6.12.2022 in der Rs. K.K. u.a./Dänemark entschied der EGMR (soweit ersichtlich) erstmals zu Fragen der kommerziellen Leihmutterschaft (vgl. BeckRS 2022, 34593). Die Wunscheltern hatten in der Ukraine einen Leihmutterschaftsvertrag abgeschlossen, der sie zur Zahlung von 32.265 € an den Träger der Leihmutterschaftsklinik verpflichtete. Diese Summe fungierte unter anderem als Vergütung der Leihmutter. Nach der Geburt der Zwillinge reisten die Wunscheltern mit ihnen nach Dänemark. Nur der Wunschvater ist dort auch der rechtliche Elternteil des Kindes. Zwar wurde den Wunscheltern die gemeinsame Sorge übertragen. Ein Adoptionsantrag der Wunschmutter wurde aber unter Hinweis auf das dänische Adoptionsgesetz, nach dem eine Adoption nicht bewilligt werden darf, wenn eine der Personen, die der Adoption zustimmen müssen, eine Vergütung oder eine andere Art von Gegenleistung zahlt oder erhält, abgelehnt. Diese Ablehnung wurde höchstrichterlich bestätigt.
Insbesondere im Ergebnis überzeugend sieht der EGMR darin eine Verletzung der Kinder in ihrem Recht auf Achtung ihres Privatlebens aus Art. 8 Abs. 1, 1. Var. EMRK. Sie müssen sich nicht auf die von den dänischen Behörden angeführten Wege, auf denen sich eine faktische Eltern-Kind-Beziehung rechtlich absichern lässt, verweisen lassen. Diese bieten nicht das gleiche Maß an rechtlicher Sicherheit wie die Zuordnung der rechtlichen Elternschaft zu den Wunscheltern. Geht man von der Kindesperspektive aus, verbietet es sich zudem, die Umgehung eines inländischen Leihmutterschaftsverbots durch die Wunscheltern (sog. parentage shopping) zu Lasten des Kindes zu berücksichtigen. Es kann dafür nicht verantwortlich gemacht werden. Insoweit verliert auch die Unterscheidung zwischen kommerzieller und altruistischer Leihmutterschaft an Bedeutung. Im Urteil nimmt sie dementsprechend wenig Raum ein. Zwar wird dadurch der Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten, die insbesondere die kommerzielle Leihmutterschaft ablehnen, erheblich eingeschränkt. Dies ist aber eben die Konsequenz zu Ende gedachten Menschenrechtsschutzes.
Insgesamt enthält das hier angezeigte Urteil des EGMR einige neue Aspekte zu dem relevanten Feld der Leihmutterschaft. Ob damit zugleich ein leihmutterschaftsfreundlicherer Ton angeschlagen wird, erscheint allerdings zweifelhaft. Das Urteil wird detaillierter im Märzheft der StAZ besprochen (vgl. Kohler, StAZ 2023, 73).
Joshua Kohler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Privat- und Prozessrecht der Georg-August-Universität Göttingen (Prof. Reuß).