Der BGH hat mit Beschluss vom 13. Mai 2015 (Az. IV ZB 30/14) den jahrzehntelangen Streit um die Qualifikation des pauschalen Zugewinnausgleichs nach § 1371 Abs. 1 BGB entschieden. Danach ist dieser rein güterrechtlich zu qualifizieren und somit in einem internationalen Erbfall anzuwenden, dessen Erbstatut ausländisches Recht und Güterstatut deutsches Recht ist.
Die Entscheidung hat u.a. Auswirkung auf Personen, die mit dem Erblasser in abstammungsrechtlichen Beziehungen stehen, da das gesetzliche Erbrecht in der Regel an diese anknüpft. Die Erbquote von Abkömmlingen des Erblassers kann damit auch bei Anwendbarkeit eines ausländischen Erbrechts durch die Anwendung des deutschen Ehegüterrechts modifiziert werden.
I. Sachverhalt
Die Erblasserin, welche 2013 in Frankfurt am Main verstarb, war griechische Staatsangehörige und hatte mit ihrem Mann, der ebenfalls griechischer Staatsangehöriger ist, 1983 in Griechenland die Ehe geschlossen. Später haben beide den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft nach deutschem Recht gewählt, was auch durch Zwischenurteil im laufenden, bis zum Tod der Erblasserin aber nicht abgeschlossenen Scheidungsverfahren festgestellt wurde. Dabei hatte zunächst die Erblasserin den Scheidungsantrag gestellt, bevor sie diesen zurücknahm und ihr Ehemann den Scheidungsantrag erneut einreichte.
II. Entscheidung des BGH
Da es sich vorliegend um einen internationalen Sachverhalt handelt, musste vom BGH zunächst das anwendbare Recht bestimmt werden. Dieses richtet sich hier bzgl. der Rechtsnachfolge von Todes wegen nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB. Dieser verweist aufgrund der Staatsangehörigkeit der Erblasserin auf griechisches Kollisionsrecht, welches die Verweisung nach Art. 28 ZGB annimmt. Somit ist griechisches Recht auf die erbrechtlichen Fragen anwendbar. Demgegenüber ist das Güterrechtsstatut aufgrund der Rechtswahl gemäß Art. 15 Abs. 3, 14 Abs. 4 S. 1 EGBGB deutsches Recht.
Ob der nach griechischem Recht bestimmte Erbteil des Ehemannes (ein Viertel des Nachlasses) zusätzlich um den pauschalierten Zugewinnausgleich von einem Viertel der Erbschaft gemäß § 1371 Abs. 1 BGB erhöht werden muss, entscheidet die Qualifikation dieser Vorschrift. Zu bejahen wäre eine Erhöhung bei einer Einordnung als güterrechtliche Norm, da insoweit deutsches Recht anwendbar ist. Bei einer erbrechtlichen Einordnung dagegen wäre die Erhöhung zu verneinen, da griechisches Erbrecht Anwendung findet. Die Qualifikation von § 1371 Abs. 1 BGB in das Erb- oder Güterrecht ist allerdings problematisch, da § 1371 Abs. 1 BGB sowohl güterrechtliche als auch erbrechtliche Elemente enthält. § 1371 BGB regelt einerseits den Ausgleich des Vermögenszuwachses unter den Ehegatten, in dem er dem überlebenden Ehegatten einen finanziellen Ausgleich gewährt (Güterrecht), andererseits bewirkt § 1371 BGB diesen Ausgleich indem die Erbquote des überlebenden Ehegatten erhöht wird. In der Literatur und Rechtsprechung ist daher bislang heftig umstritten, wie die Norm in kollisionsrechtlicher Hinsicht zu behandeln ist.
Diesen, seit Jahren andauernden Streit in der Literatur hat der BGH nun zugunsten einer güterrechtlichen Qualifikation entschieden: Dafür spreche zum einen der Zweck der Vorschrift, welche das Vermögen der Eheleute möglichst einfach abwickeln solle. Der Gesetzgeber habe sich bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung des Nachlasses für eine Pauschalisierung entschieden, da sowohl Bestand als auch Wert des Vermögens der Ehegatten bei Beginn der Ehe und im Todeszeitpunkt schwierig zu bestimmen seien. Zum anderen griffen die Argumente für eine erbrechtliche Einordnung nicht: § 1371 Abs. 1 BGB werde aufgrund seiner „Doppelnatur“ immer entweder in das ausländische Erbrecht eingreifen, wenn er im Rahmen einer güterrechtlichen Qualifikation angewandt würde, oder aber in das deutsche Güterrecht bei seiner Nichtanwendung aufgrund erbrechtlicher Qualifikation. Auch könne zwar im Einzelfall durch die Pauschalisierung der Zugewinnausgleich höher ausfallen als bei einer konkreten Berechnung und damit das Erbrecht anderer Berechtigter verkürzen. Jedoch könnte auch umgekehrt der konkret berechnete Zugewinn höher als das gesetzliche Viertel ausfallen und somit könnten die gesetzlichen Erben ebenso, wenn nicht noch stärker belastet werden.
Sofern man allerdings wegen des anhängigen Scheidungsverfahrens (dazu Rn. 41 der Entscheidung) einen Ausschluss der Erbberechtigung des Ehegatten der Erblasserin nach § 1933 BGB annimmt, ergibt sich folgende Konstellation: Aufgrund der obigen Qualifikationsentscheidung kommt es in der Kombination des güterrechtlichen Viertels gemäß § 1371 Abs. 1 BGB mit der nach griechischem Recht vorgesehenen gesetzlichen Erbquote (ein Viertel des Nachlasses) zu einer Nachlassbeteiligung, die größer ausfällt (hier die Hälfte des Nachlasses), als sie sich bei einheitlicher Anwendung des deutschen (keine Erbbeteiligung aufgrund des anhängigen Scheidungsverfahrens) oder aber des griechischen Rechts (ein Viertel des Nachlasses) auf erb- und ehegüterrechtliche Fragen ergäbe. Darin sieht der BGH jedoch keinen Wertungswiderspruch, da „das „Ob“ der Erbberechtigung nach einem Sachrecht nicht die Höhe und damit das „Wie“ der Erbberechtigung nach einem anderen Sachrecht“ in Frage stellt.
III. Bewertung
Durch seine Entscheidung zur güterrechtlichen Qualifikation des § 1371 Abs. 1 BGB hat der BGH eine lange strittige Frage ganz im Sinne der herrschenden Meinung (so z.B. OLG Stuttgart NJW-RR 2005, 740; Staudinger/Dörner, BGB, Neubearb. 2007, Art. 25 EGBGB Rn.34; BeckOK/Lorenz, BGB, Stand: 01.05.2015, Art. 25 Rn.57; Palandt/Thorn, BGB, 74. Aufl. 2015, Art 15 EGBGB Rn.26) beantwortet. Dagegen sieht der Beschluss jedoch bei hypothetischer Annahme eines Erbausschlusses nach § 1933 BGB keine Anpassung des Ergebnisses auf kollisions- oder materiellrechtlicher Ebene vor, weshalb durch Kombination beider Rechtsordnungen der Ehepartner der Erblasserin besser gestellt wird, als durch alleinige Anwendung einer der beiden betroffenen Rechtsordnungen.
1. Argumentation des BGH
Der Begründung des BGH, keine Anpassung, also Harmonisierung der verschiedenartigen Rechtssysteme durchzuführen (dazu Rn. 41 der Entscheidung), muss dabei nicht zwangsläufig gefolgt werden. Das „Ob“ der Erbberechtigung entscheidet über Höhe und Wert der Erbquote und damit über das „Wie“ der Erbberechtigung mit, da beides einheitlich vom Erbstatut (hier griechischem Recht) bestimmt wird.
Die Tatsache, dass das deutsche Recht bei hypothetischer Annahme der Voraussetzungen des § 1933 BGB keine Erbberechtigung vorsieht, hindert die Anpassung nicht, da auf Anpassungsebene ein konkreter Vergleich der Gesamtregelung der jeweiligen Rechtsordnungen und keine Teilbetrachtung der Höhe der beiden Erbquoten geboten ist. Jedoch ist vorliegend bereits die Heranziehung von § 1933 BGB aufgrund fehlender Voraussetzungen zu bezweifeln, da die Erblasserin weder die Scheidung beantragt hat noch durch die Rücknahme ihres Scheidungsantrags davon ausgegangen werden kann, dass sie der Scheidung zugestimmt hat. Allenfalls könnten sich die Voraussetzungen von § 1933 BGB hier durch das Zwischenurteil ergeben, was der BGH jedoch nicht näher ausführt.
Gegen eine Anpassung ließe sich zudem einwenden. dass die kumulative Anwendung beider Vorschriften die abstrakte deutsche Erbquote in Höhe der Hälfte des Nachlasses nicht übersteigt. Jedoch verfängt das Argument ebenso nicht, da keine Teilbetrachtung der Höhe der Erbquoten vorzunehmen ist.
2. Anpassung auf materiellrechtlicher Ebene
§ 1371 Abs. 1 BGB erfüllt seine güterrechtliche Funktion mit erbrechtlichen Mitteln, weshalb man die pauschale Erhöhung des Erbteils auch als Modifikation der Erbbeteiligung ansehen kann. Dies stellt eine sog. Normenhäufung dar, d.h. zwei Rechtsordnungen regeln ein Problem (hier die Höhe der Erbbeteiligung) an unterschiedlichen Stellen (im deutschen Recht eben teilweise in § 1371 Abs. 1 BGB), die in Kumulation zu einer Vermehrung von Ansprüchen führt, die von keiner Rechtsordnung gewollt ist.
Dies ist ein klassischer Anwendungsfall einer Anpassung, die dem Zweck dient, die Wertungswidersprüche, die durch Kombination der beiden Rechtsordnungen entstehen, zu beseitigen. Dies hat auf materiellrechtlicher Ebene zu erfolgen. Nach einer Ansicht in der Literatur ist bei Überbeteiligung des überlebenden Gatten dessen Erbanteil auf den Umfang herabzusetzen, der ihm rechnerisch nach der für ihn günstigeren der beiden Rechtsordnungen verblieben wäre (Staudinger/Dörner, BGB, Art. 25 EGBGB Rn. 39; BeckOK/Lorenz, BGB, Art. 25 Rn. 56). Dagegen wendet die andere Ansicht immer das strengste Recht an (MüKo/Dutta, BGB, 6.Aufl. 2015, Art. 25 EGBGB Rn.164). Als weitere Möglichkeit wäre zu erwägen, den Mittelwert beider Rechtsordnungen zu gewähren: hier also nicht ein Viertel gemäß griechischem Recht oder keine Beteiligung nach deutschem Recht bei hypothetischer Annahme von § 1933 BGB, sondern ein Achtel. Dies würde zum einen beide Rechtsordnungen zu einem schonenden Ausgleich bringen, indem man keine von beiden bevorzugt. Zum anderen hat eine Besserstellung des Ehegatten immer eine Schlechterstellung der Erben zur Folge und umgekehrt, da insgesamt nur 100% vergeben werden können.
IV. Ausblick
Die Frage der Qualifikation des § 1371 Abs. 1 BGB wird auch zukünftig nach Geltungsbeginn der EuErbVO am 17.08.2015 relevant bleiben: Die EuErbVO regelt güterrechtliche Fragen gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. d EuErbVO nicht und knüpft zur Bestimmung des anwendbaren Erbrechts nach Art. 21 EUErbVO primär an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt und damit anders als Art. 15 Abs. 1 EGBGB zur Bestimmung des anwendbaren Güterrechts an. Somit besteht weiterhin die Möglichkeit, dass Erb- und Güterrechtsstatut auseinanderfallen und folglich zwei verschiedene Rechtsordnungen die Erbbeteiligung des überlebenden Ehegatten regeln wollen.
Marie-Therese Ziereis ist Studentin im Schwerpunktbereich 7 an der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München und studentische Hilfskraft am Institut für internationales Recht – Rechtsvergleichung (Lehrstuhl Professor Dr. Stephan Lorenz)