Nichts Neues im Westen – Die Abstammungsfragen in der Familienpolitik des Koalitionsvertrages


Abstammung

Lange haben die Vertreter von CDU, CSU und SPD um Standpunkte gerungen und nun ist er da, der Koalitionsvertrag. Er gibt die Marschroute vor, die die nächsten vier Jahre (Familien)Politik in Deutschland und Europa (mit)bestimmen soll. Die abstammungsrechtlichen Inhalte werden nachfolgend besprochen. Man muss leider feststellen, dass sich große Überraschungen nicht ergeben werden. Das war aber auch nicht anders zu erwarten.

Abrufbar ist der Vertrag im Volltext unter https://www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf

Allgemeines

Eingangs stellen die Koalitionsparteien die Leitlinien ihrer Familienpolitik heraus. Große Bedeutung hat hierbei die Stärkung des familialen Zusammenhalts. So steht schon alleine der familienpolitische Abschnitt unter der Überschrift „Familie stärken“. Zur Bedeutung von familiären Strukturen in unserem gesellschaftlichen Zusammenleben heißt es insbesondere:

„Wohlergehen und Fortschritt in unserer Gesellschaft bemessen sich auch daran, wie Menschen miteinander leben, arbeiten und umgehen. Wir wollen das Miteinander aller Menschen in unserem Land fördern, unabhängig von ihrer religiösen, politischen, weltanschaulichen oder sexuellen Identität.“ (S. 97)

Die Koalitionsparteien wollen spürbar ein Bewusstsein dafür schaffen, dass auch über die klassische Kleinfamilie (Vater, Mutter, Kind) hinaus andere Familienformen einen wertvollen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenleben liefern. Für ein wahrhaftiges Selbstbekenntnis zu diesem Bewusstsein klingt das, was nun Konsens geworden ist, aber zu verhalten:

„Wir wissen, dass in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Werte gelebt werden, die grundlegend für unsere Gesellschaft sind.“ (S. 105)

Eine weitere große Leitlinie der künftigen Familienpolitik ist die Fortsetzung der Gleichstellungspolitik. Hierzu heißt es:

„Die Gleichstellung treiben wir voran. Wir werden dafür sorgen, dass Frauen und Männer ihre Aufgaben in Familie, Beruf und Gesellschaft partnerschaftlich wahrnehmen können und bestehende geschlechtsspezifische Ungerechtigkeiten – insbesondere in der Arbeitswelt beseitigen.“ (S. 97)

„Wir werden darauf hinwirken, dass bestehende Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und von Menschen auf Grund ihrer sexuellen Identität in allen gesellschaftlichen Bereichen beendet werden. Rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, werden wir beseitigen.“ (S. 105)

Adoptionsrecht

Dies klingt alles sehr positiv, bereits im Bereich des Adoptionsrechts zeigt sich jedoch, dass es die Koalitionsparteien nicht ganz so ernst nehmen mit ihrem Bekenntnis zur Anerkennung neuartiger Familienformen und der Gleichstellung von Ehe und gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft. Zur Adoption heißt es lediglich:

Wir wollen das Adoptionsverfahren weiterentwickeln, das Adoptionsvermittlungsgesetz modernisieren und die Strukturen der Adoptionsvermittlung stärken. Das Kindeswohl muss dabei immer im Vordergrund stehen. Wir wollen die Möglichkeiten zur Adoption vereinfachen und die Begleitung und nachgehende Betreuung der Adoptiveltern verbessern. Wir werden uns dafür einsetzen, dass im Adoptionsrecht die höhere Lebenserwartung der Menschen und die Tendenz zur späteren Familiengründung berücksichtigt werden und wollen, dass bei Stiefkindadoptionen das Verwandtschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern im Einvernehmen erhalten bleiben kann.“ (S. 99)

Kein Hinweis findet sich hier auf Gleichstellungsfragen. Einzig findet sich eine Passage zur Zulässigkeit der Sukzessivadoption bei gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern. Das BVerfG hatte das Verbot jüngst für Gleichheitswidrig erklärt (dazu siehe www.abstammungsrecht.eu/das-verbot-gemeinschaftlicher-adoption-durch-eingetragene-lebenspartner-vor-dem-bverfg):

Bei Adoptionen werden wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sukzessivadoption zügig umsetzen“ (S. 105)

Die Zulassung der gemeinschaftlichen Adoption durch gleichgeschlechtliche Lebenspartner, die für Ehegatten schon seit jeher Realität ist, wird von der Koalition nicht erwähnt. Das ist höchst bedauerlich. Von einer Beseitigung der bestehenden Diskriminierungen kann daher nicht die Rede sein. Das Bundesverfassungsgericht wird also auch dieses Verbot kassieren müssen (die Frage ist derzeit anhängig auf Vorlage des Amtsgericht Berlin-Schöneberg – Az. 24 F 172/12 abrufbar als BeckRS 2013, 5298).

Leihmutterschaft

Im Bereich von Leihmutterschaftsfragen verfolgt die Koalition erwartungsgemäß den bisherigen deutschen Weg weiter, der die Eröffnung von Leihmutterschaften im Inland generell ablehnt. Hierzu heißt es:

„Die Leihmutterschaft lehnen wir ab, da sie mit der Würde des Menschen unvereinbar ist. Wir werden das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft bei Samenspenden gesetzlich regeln.“ (S. 99)

Die deutschen Gerichte lehnen auch die Anerkennung von Vater- oder Mutterschaftszuordnungen ausländischer Gerichte oder Behörden in der Regel als „ordre public“-widrig ab (siehe hierzu den Bericht in diesem Blog https://www.abstammungsrecht.eu/leihmutterschaftsvertraege-verstossen-gegen-den-deutschen-ordre-public/).

Intersexualität

Vor einiger Zeit ist in diesem Blog bereits über die Neuregelungen im Personenstandsrecht betreffend Personen berichtet worden, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können (www.abstammungsrecht.eu/der-gender_gap-kommt-ins-gesetz/). Das neue Personenstandsrecht sieht vor, dass ein Geschlechtseintrag bei Geburt eines Kindes nicht mehr notwendig ist. Dies führt zu erheblichen Folgeproblemen, die aus der geschlechtsabhängigen Formulierung von Rechtsnormen erwachsen. Die Koalition reagiert hier auf kritische Stimmen wie folgt:

„Die durch die Änderung des Personenstandrechts für intersexuelle Menschen erzielten Verbesserungen werden wir evaluieren und gegebenenfalls ausbauen und die besondere Situation von trans- und intersexuellen Menschen in den Fokus nehmen“ (S. 105)

Ob sich hier tatsächlich etwas tun wird, bleibt abzuwarten.

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