Das Kammergericht (KG) Berlin hatte in der Rechtssache 1 W 413/12 Gelegenheit über die „ordre public“-Widrigkeit von Leihmutterschaftsverträgen zu befinden. Mit Beschluss vom 1.8.2013 ist der erste Zivilsenat des KG der bisher herrschenden Linie in der deutschen Rechtsprechung und Literatur gefolgt, und hat einen „ordre public“-Verstoß angenommen.
1. Sachverhalt
In dem Fall ging es um zwei eingetragene Lebenspartner (beides deutsche Staatsangehörige), die im Jahre 2010 mit einer unverheirateten amerikanischen Staatsangehörigen einen Leihmutterschaftsvertrag abgeschlossen hatten. Hiernach sollte die Leihmutter ein mittels Samenspende eines Lebenspartners (Beteiligter zu 1) und anonymer Eispende gezeugtes Kind austragen. Rechtliche Eltern des Kindes sollten ausschließlich die Lebenspartner (Beteiligte zu 1 und 2) sein. Noch vor Geburt des Kindes (2011) erkannte der Beteiligte zu 1 die Vaterschaft des Kindes an. Im Jahre 2011 erging ein Urteil des Superior Court of the State of California, das beide Lebenspartner als rechtliche Eltern des Kindes anerkannte die Leihmutter als nicht gesetzlichen Elternteil des Kindes feststellte.
Einen Antrag auf Nachbeurkundung der Geburt durch die Beteiligten gem. § 36 I PStG lehnte das zuständige Standesamt ab. Auch in der Vorinstanz blieben die Beteiligten erfolglos, da das Amtsgericht einen „ordre public“-Verstoß annahm.
2. Rechtliche Problematik
Die Sachverhaltskonstellation birgt gleich mehrere rechtliche Fragen, über die das KG zu entscheiden hatte.
a. Anerkennung des Urteils des Superior Court of the State of California bzgl. der Vaterschaft des Beteiligten zu 1
Zunächst war darüber zu entscheiden, ob das Urteil des kalifornischen Gerichts in Deutschland insoweit anzuerkennen ist, als es den leiblichen Vater des Kindes, den Beteiligten zu 1, als rechtlichen Vater des Kindes ausweist.
Diese Frage bejaht das KG. Hierzu stellt das Gericht fest, dass zwar gem. § 109 I Nr. 4 FamFG die Anerkennung eines ausländischen Urteils ausgeschlossen ist, wenn die Anerkennung der Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Dies sei allerdings bzgl. der Vaterschaft des Beteiligten zu 1 nicht der Fall. Zwar beruhe das Vaterschaftsanerkenntnis im Wesentlichen auf einem Leihmutterschaftsvertrag. Gleichwohl könne auch nach deutschen Recht ein Mann in die rechtliche Position des Vaters durch Vaterschaftsanerkenntnis gem. § 1592 Nr. 2 BGB einrücken, wenn nicht eine andere Vaterschaft bestehe (§ 1594 II BGB). Da diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt seien (die Leihmutter war insbesondere unverheiratet), führe die Entscheidung nicht zu einem Ergebnis, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist.
b. Anerkennung des Urteils des Superior Court of the State of California bzgl. der Vaterschaft des Beteiligten zu 2
Anders entschied das KG allerdings hinsichtlich der Feststellungen zur Vaterschaft des Beteiligten zu 2. Hierzu führt das Gericht aus:
„Durch das Urteil vom 6. April 2011 soll zwischen den Beteiligten zu 2 und 3 ohne Adoptionsverfahren (sec. 8500 ff. California Familiy Code, im Folgenden kurz CFC, zugänglich im Internet unter www.leginfo.ca.gov) ein rechtliches Eltern-Kind-Verhältnis allein aufgrund des Leihmutterschaftsvertrages (sec. 7960 ff. CFC) hergestellt werden. Gemäß sec. 7962 lit. f (2) begründet der Richter auf Antrag einer Partei eines ordnungsgemäß durchgeführten Leihmutterschaftsvertrages ohne weitere Anhörung oder Beweise durch Urteil oder Beschluss das Eltern-Kind-Verhältnis zwischen dem Kind und den Wunscheltern. Ohne einen solchen Rechtsprechungsakt wird die Leihmutter als Mutter und gegebenenfalls ihr Ehemann als Vater in die Geburtsurkunde eingetragen (Bergmann/Ferid/Henrich, a. a. O., Californien, III. A 9.).
Ein auf diese Weise begründetes Eltern-Kind-Verhältnis ist dem deutschen Recht nicht nur fremd, sondern es steht auch zu wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts in untragbarem Widerspruch.“
Die „ordre public“-Widrigkeit des Ergebnisses begründet das KG insbesondere damit, dass sich im deutschen Recht ein Eltern-Kind-Verhältnis lediglich im Wege der Abstammung (§§ 1591ff. BGB) oder durch Annahme als Kind (§§ 1741ff. BGB) begründen lasse. Darüber hinaus gehe aus den §§ 1591 BGB, 1 I Nr.7 ESchG, 13c AdVermG hervor, dass das deutsche Recht Leih-und Ersatzmutterschaftsverträge grundsätzlich ablehne, was sich auch in den begleitenden Strafvorschriften widerspiegle. Der Gesetzgeber habe mit dem Verbot insbesondere den Schutz der Menschenwürde der betroffenen Frauen und Kinder (Art. 1 I GG) bezweckt. Die „besonders geartete Beziehung des ungeborenen Lebens mit der Mutter verbiete eine Übernahme von Schwangerschaften als eine Art Dienstleistung, da die für die Entwicklung des Kindes wesentliche enge persönliche Beziehung zwischen der Schwangeren und dem Kind unter diesen Umständen kaum zustande kommen könne“. Ferner sei die ungestörte Identitätsfindung der Kinder und gesicherte familiäre Zuordnung des Kindes nicht gewährleistet. Letztlich ginge es darum die Herabstufung des Kindes als Handelsware zu vermeiden und die Ausnutzung von Müttern in Notlagen durch Setzen finanzieller Anreize zu verhindern.
Mit der Feststellung der „ordre public“-Widrigkeit des Urteils mit Bezug auf die Vaterschaft des Beteiligten zu 2 tut sich das KG Berlin mit Blick auf das Kindeswohl nicht allzu schwer, da es ja das wirksame Bestehen der Vaterschaft des Beteiligten zu 1 bereits festgestellt hatte. Das Kind ist damit nicht elternlos. Das KG führt hierzu aus:
„im vorliegenden Verfahren [ist] weder darüber zu entscheiden noch sonst zu erwarten […], dass der Beteiligte zu 3 aus dem Verband der gelebten sozialen Familie herausgerissen würde. Der Beteiligte zu 3 lebt in einem rechtlich gesicherten Verhältnis zu dem Beteiligten zu 1. Welche Umstände einem weiteren Zusammenleben mit seinem Vater und dem mit diesem verpartnerten Beteiligten zu 2 entgegenstehen sollten, ist nicht ersichtlich. Von einem rechtlichen Eltern-Kind Verhältnis zwischen den Beteiligten zu 2 und 3 ist dies jedenfalls nicht abhängig.“
Damit gibt das KG Berlin indirekt den Hinweis auf die bestehende Möglichkeit der Stiefkindadoption, die auch gleichgeschlechtlichen Paaren offensteht (vgl. § 9 VII 1 LPartG).
Schließlich stellt das KG auch fest, dass bei einer Anerkennung des Urteils und Nachbeurkundung der Geburt in der beantragten Form ferner ein Verstoß gegen das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner eigenen Abstammung (Art. 1 I GG iVm Art. 2 I GG) gegeben wäre, da das deutsche Geburtenregister dann nicht den Namen der Leihmutter ausweise und die Feststellbarkeit ihrer Identität damit nicht gegeben sei. Das Argument der Beteiligten, der Name der Leihmutter lasse sich aus dem anzuerkennenden Urteil entnehmen, übergeht das KG recht salopp mit dem Hinweis, dass die Nachweisbarkeit diesbezüglich weder durch das Standesamt noch sonstige staatliche Stellen dauerhaft gesichert sei.
c. Vaterschaft des Beteiligten zu 2 aufgrund kalifornischen Rechts
Das KG Berlin verneinte letztlich auch das Bestehen einer Vaterschaft aufgrund kalifornischen Abstammungsrechts. Das Gericht hält fest, dass Abstammungsstatut gem. Art. 19 I EGBGB das deutsche Recht sei, da der Wohnsitz des Kindes ab ovo in Deutschland lag. Nach deutschem Recht könne der Beteiligte zu 2 aber nicht im Wege des Leihmutterschaftsvertrages in die rechtliche Elternrolle einrücken.
Da das Kind nie einen Wohnsitz in Kalifornien besessen habe, könne auch die Frage dahinstehen, ob ein einmal erlangter Abstammungsstatus als wohlerworbenes Recht in Deutschland anzuerkennen sei.
3. Bewertung und Ausblick
Die Entscheidung des KG Berlin überrascht nicht, entspricht sie doch der bislang in Deutschland herrschenden Meinung zur „ordre public“-Widrigkeit der Leihmutterschaft. Man mag diese gutheißen oder nicht. Das Urteil setzt den eingeschlagenen Kurs jedenfalls konsequent um.
Freilich darf man sich die Frage stellen, ob die so strikte und pauschale Ablehnung von Leihmutterschaftsverträgen wirklich sachgerecht ist. Kindeswohlaspekte sollten hier eine größere Rolle spielen, da es bei strikter Annahme der „ordre public“-Widrigkeit dazu kommen kann, dass das Kind am Ende gar keine rechtlichen Eltern hat. Da dieses Szenarium in dem entschiedenen Fall keine Rolle gespielt hat, ist dem KG die strenge Haltung erleichtert worden.
Bezweifelt werden darf ferner, ob das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung (Art. 1 I iVm Art. 2 I GG) es tatsächlich einer deutschen Behörde verbietet eine Beurkundung vorzunehmen, wenn die für die Ausübung des Rechts notwendigen Abstammungsinformationen nicht in der Hand der deutschen Behörde liegen, so dass deren dauerhafter Erhalt nicht von der Behörde gewährleistet werden kann. Mir erscheint dies zweifelhaft, insbesondere mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Im Vorliegenden Fall waren keinerlei Hinweise darauf gegeben, dass die Wunscheltern dem Kind die Information vorenthalten würden oder, dass das kalifornische Gerichtsurteil, das den Namen der Leihmutter ausweist, in naher Zukunft nicht mehr zugänglich sein würde. Die Ablehnung der Beurkundung aufgrund der Annahme eines Verstoßes gegen das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung scheint mir daher nicht verhältnismäßig zu sein.
Der BGH wird ebenfalls Gelegenheit erhalten, über die Fragen zu entscheiden, eine Rechtsbeschwerde wurden von den Beteiligten eingelegt (Az: XII ZB 463/13, dazu Breidenstein, FamFR 2013, 480).
Eine Antwort zu “Leihmutterschaftsverträge verstoßen gegen den deutschen ordre public”
[…] Leihmutterschaft. Diese, in Deutschland gesetzlich nicht zulässige Reproduktionsform (dazu siehe http://www.abstammungsrecht.de/leihmutterschaftsvertraege-verstossen-gegen-den-deutschen-ordre-publi… und […]