Die Anerkennungsfähigkeit ausländischer Gerichtsentscheidungen in Leihmutterschaftsfällen wurde in den letzten Jahren mehrfach vor deutschen Gerichten verhandelt. Zwar hat der BGH schon in vorherigen Fällen bei einer genetischen Verbindung wenigstens eines Wunschelternteils zu Gunsten der Wunscheltern entschieden und die rechtliche Elternstellung entsprechend der ausländischen Entscheidung auch in Deutschland anerkannt. Trotzdem kam es in der Folgezeit in den unteren Gerichtsinstanzen weiterhin zu divergierenden Ergebnissen. Mit seiner Entscheidung vom 5.9.2018 (Az. XII ZB 224/17; zum Entscheidungstext geht es hier) gibt der BGH erneut eine klare Linie vor. Die wichtigsten Inhalte dieses Beschlusses werden im Folgenden kurz dargestellt.
1. Sachverhalt
In der Vorinstanz hat das OLG Braunschweig den Antrag eines Ehepaares auf Anerkennung ihrer rechtlichen Elternschaft in Deutschland abgelehnt, obwohl ein amerikanisches Gericht beide als rechtliche Eltern von Zwillingen, die nach Abschluss einer ordnungsgemäßen Leihmutterschaftsvereinbarung gezeugt und geboren wurden, anerkannte (FamRZ 2017, 972). Der BGH hat diesen Beschluss in Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung aufgehoben und die Entscheidung des amerikanischen Gerichts anerkannt.
2. Entscheidung des Gerichts
Zunächst hat der BGH darauf hingewiesen, dass es für die Frage, ob die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung gegen den ordre public verstoße, nicht erheblich sei, ob der deutsche Richter „aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre“. Maßgeblich sei vielmehr, ob „das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steh[e], dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erschein[e]“ (Rn.15).
Ausgehend von diesem Grundsatz hat der BGH zunächst dargelegt, dass es in Leihmutterschaftsfällen zwar durchaus zu Grundrechtsverletzungen bei der Leihmutter und Eizellspenderin kommen könne, insbesondere, wenn es an einer freiwilligen Mitwirkung der Leihmutter fehle, wesentliche Umstände (bspw. die Bedingungen der Leihmutterschaftsvereinbarung) im Unklaren blieben oder im ausländischen Gerichtsverfahren grundlegende verfahrensrechtliche Garantien missachtet werden. Dies sei hier jedoch nicht erkennbar. Der Umstand, dass die Leihmutter ein Entgelt erhalten habe, stehe der Freiwilligkeit jedenfalls nicht entgegen (Rn. 18-20).
Weitaus bedeutender sind indessen die Ausführungen des BGH zum Kindeswohl. So sei zu beachten, dass Leihmutterschaftsfälle stets das „Recht des Kindes auf rechtliche Zuordnung zu beiden Eltern“, welches sich aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 GG und aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergebe, berühren. Da die Anerkennung der Leihmutter als rechtliche Mutter aufgrund der entgegenstehenden amerikanischen Gerichtsentscheidung nicht möglich sei, würde eine Ablehnung der Anerkennung der Wunscheltern in Deutschland einen Eingriff in die Rechte der beiden Kinder darstellen, da sie keinerlei rechtliche Eltern-Kind-Beziehung begründen könnten. Dieser Eingriff könne nicht mit „generalpräventiven Erwägungen“ gerechtfertigt werden, da die Kinder bereits geboren wurden und auf die Umstände ihrer Entstehung keinen Einfluss hatten. Zwar bestehe in Deutschland weiterhin das Verbot der Eizellspende sowie der Leihmutterschaft, jedoch dürfe „der Schutz des Kindes […] nicht deshalb ein minderer sein, weil dieses von einer Leihmutter ausgetragen und geboren wurde.“ (Rn. 21).
Sehr deutlich weist der BGH darauf hin, dass eine „durch die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung begründete Statusbeziehung“ nicht nur das Sorgerecht, sondern auch weitere wichtige Rechte und Rechtspositionen des Kindes (bspw. Unterhalts- und Erbansprüche) sichere und anders als die Vormundschaft nicht ohne weiteres geändert werden könne. Deshalb sei die Auffassung des OLG, die Einsetzung der Wunschmutter als Vormund reiche für das Wohl der Kinder und für ein stabiles Familienleben aus, abzulehnen (Rn. 26).
Mehrmals hervorgehoben wird zudem der Umstand, dass die Kinder eine genetische Verbindung zum Wunschvater haben. Sowohl der EGMR als auch der BGH vertreten die Auffassung, dass eine Vereinbarkeit der ausländischen Entscheidung mit dem ordre public jedenfalls für den Fall, dass „ein Wunschelternteil im Gegensatz zur Leihmutter mit dem Kind genetisch verwandt ist“ besteht. So weist der BGH drauf hin, dass auch die Entscheidung des EGMR im Fall Paradiso/Campanelli (NJW 2017, 951) daran nichts ändere. Der EGMR sei dabei inhaltlich nicht von den vorangegangenen Entscheidungen abgewichen, sondern habe lediglich Fälle, in denen keine genetische Beziehung besteht, abgegrenzt, da bei fehlender genetischer Abstammung und dem Vorliegen falscher Angaben Kinderhandel nicht ausgeschlossen werden könne.
3. Einschätzung der Entscheidung
Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen, da sie die Rechte von Kindern stärkt. Eine Durchsetzung des Verbots der Eizellspende sowie der Leihmutterschaft, kann nicht zum Nachteil der daraus entstandenen Kinder erfolgen. Denkbar wäre allenfalls, dass der Gesetzgeber strafrechtliche Sanktionen gegen die Eltern verhängt. Ob dies Eltern mit Kinderwunsch davon abhalten würde, reproduktive Maßnahmen im Ausland in Anspruch zu nehmen ist jedoch mehr als fraglich. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn der Gesetzgeber bei der seit langem überfälligen Reform des Abstammungsrechts auch Regelungen zur Anerkennung ausländischer Leihmutterschaftsentscheidungen aufnimmt.
Zuletzt ist noch auf eine wichtige Aussage des BGH hinzuweisen, nämlich, dass es bei der Beurteilung des Kindeswohls, nicht allein auf die durch die Schwangerschaft und Geburt des Kindes zur Leihmutter entstandene „psychosoziale Beziehung“ ankomme, sondern, dass auch die Intention der Wunscheltern, die sich anders als die Leihmutter auch tatsächlich um das Kind kümmern wollen, ausschlaggebend sein kann. Dem ist zuzustimmen. Hat der Gesetzgeber bei Einführung des § 1591 BGB im Jahr 1998 die „psychosoziale Beziehung“ zur Geburtsmutter und eine mutmaßliche Kindeswohlgefährdung bei einer Trennung noch als Hauptargument aufgeführt, warum eine gespaltene Mutterschaft verhindert werden müsse (BT-Drs. 13/4899, 82), erfolgt heute eine differenziertere Betrachtung. Die Bedeutung der psychosozialen Beziehung soll dabei gar nicht abgestritten werden, jedoch kann sie in den Fällen, in denen die Geburtsmutter gerade auf ihre Elternstellung verzichtet, nicht als Argument dafür vorgebracht werden, dem Kind eine stabile Eltern-Kind-Beziehung zu versagen, welche auch zu den Wunscheltern entstehen kann, wenn diese die soziale Elternrolle ausfüllen.
Karina Seebode ist Doktorandin am Lehrstuhl von Prof. Dr. Eva Schumann an der Georg-August-Universität Göttingen. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem vom MWK geförderten Projekt „Macht und Ohnmacht der Mutterschaft“ und beschäftigt sich mit Rechtsfragen der Mutterschaft nach Kinderwunschbehandlung.