GroKo reloaded? So viel Abstammungsrecht steckt im Koalitionsvertrag


Am 7. Februar 2018 haben sich die Unterhändler von CDU, CSU und SPD auf einen Koalitionsvertrag verständigt (eingesehen werden kann dieser hier). Da die Mitglieder der SPD über diesen Vertrag noch abstimmen müssen, ist noch nicht sicher, ob das vereinbarte politische Programm die gegenwärtige Legislaturperiode überhaupt prägen wird. Sollte es jedoch zu einem Abschluss kommen, wären dies die Inhalte mit abstammungsrechtlicher Relevanz:

I. Inhalte des Koalitionsvertrages

Der Koalitionsvertrag trägt den mutigen Titel „Ein neuer Aufbruch für Europa, eine neue Dynamik für Deutschland, ein neuer Zusammenhalt für unser Land“. Das verspricht viel Neues und viel Entwicklung. Familien und Kinder sollen hierbei im Mittelpunkt stehen. Im Koalitionsvertrag heißt es insoweit:

„Familien halten unsere Gesellschaft zusammen. Sie zu stärken und zu entlasten ist unser Ziel. Wir schreiben Familien kein bestimmtes Familienmodell vor. Wir respektieren die unterschiedlichen Formen des Zusammenlebens.“ (S. 19)

sowie

„Wir respektieren geschlechtliche Vielfalt. Alle Menschen sollen unabhängig von ihrer sexuellen Identität frei und sicher leben können – mit gleichen Rechten und Pflichten. Homosexuellen- und Transfeindlichkeit verurteilen wir und wirken jeder Diskriminierung entgegen.“ (S. 21)

Beide programmatischen Ausrichtungen machen letztlich Hoffnung darauf, dass auch bei der abstammungsrechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung alternative Familienformen künftig berücksichtigt werden und das derzeitige Recht, das diesen Formen nicht immer entspricht, eine Anpassung erfährt.

Wer sich angesichts dieser Postulate allerdings viel Bekenntnis zur Dynamik im Abstammungsrecht erhofft, liest den Vertrag mit gewisser Ernüchterung. Zwar bekennt sich der Vertrag dazu, dass eine moderne Gesellschaft ein modernes Recht erfordere, zum Abstammungsrecht formuliert er allerdings nur vorsichtig:

„Im Hinblick auf die zunehmenden Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin und Veränderungen in der Gesellschaft werden wir Anpassungen des Abstammungsrechts unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Arbeitskreises Abstammungsrecht prüfen.“ (S. 132)

Prüfen heißt nicht anpassen! Der Vertragstext zeigt letztlich, dass die Materie des Abstammungsrechts eine kritische ist. Nicht nur zwischen den einzelnen Parteien, sondern auch innerhalb dieser ist die Bandbreite der Ansichten zur Gestaltung der rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung groß. Es ist daher verständlich, dass man erst einmal prüfen werde. Mehr als eine solche Bereitschaft konnte man als politischen Kompromiss auch nicht ernsthaft erwarten.

Gleichzeitig ist das Abstammungsrecht eine sehr komplexe Materie, in der überstürzte Gesetzgebung fehl am Platz ist. Deshalb ist eine gründliche Prüfung möglicher Anpassungen durchaus sinnvoll und angemessen. Dass die Koalition bei dieser Prüfung die gründlich erarbeiteten Ergebnisse des Arbeitskreises Abstammungsrecht mit einbeziehen möchte, der Anpassungsbedarf des gegenwärtigen Rechts vollkommen zu Recht identifiziert hat (zum Bericht des Arbeitskreises siehe hier im Blog), ist begrüßenswert.

Änderungen könnte es darüber hinaus auch im Internationalen Privatrecht geben. Hierzu heißt es im Koalitionsvertrag:

„Wir werden unter Berücksichtigung europäischer und internationaler Vorgaben prüfen, ob sich das anwendbare Recht insbesondere im Bereich des Familienrechts stärker nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Beteiligten bestimmen sollte.“ (S. 132)

Mit Blick auf das Abstammungsstatut, das in Art. 19 I 1 EGBGB ja bereits bisher in einer Anknüpfungsvariante an den gewöhnlichen Aufenthalt anknüpft, ist durch den Deutschen Rat für IPR vor geraumer Zeit ein Reformvorschlag erarbeitet worden, der sich einiger der bestehenden Problemstellen des gegenwärtigen Rechts annimmt (siehe etwa zur Problematik des Günstigkeitsprinzips den Beitrag von Lisa Thalmair). Auch hier wird sich zeigen, wie die „Prüfung“ der Materie durch die Regierung ausfallen wird, und ob es tatsächlich zu Änderungen kommt.

Letztlich soll es auch bei Adoptionen Änderungen geben. Im Koalitionsvertrag heißt es hierzu:

„Wir wollen ein modernes Adoptionswesen in Deutschland. Unser Ziel ist es, die Strukturen der Beratung und Vermittlung im Adoptionsvermittlungsverfahren zu verbessern.“ (S. 20)

Viel konkreter wird der Vertrag diesbezüglich allerdings nicht. Insbesondere lässt sich nicht erkennen, inwieweit das materielle Adoptionsrecht verändert werden soll.

Abschließend sieht der Vertrag vor, dass spezielle Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden, was wiederum auf die Gestaltung des einfachen Rechts Auswirkungen haben könnte.

II. Ausblick

Dass der Koalitionsvertrag die Prüfung einer Reform des Abstammungsrechts anspricht, ist angesichts des gegenwärtigen Rechtsstands ein sehr gutes Zeichen. Da das gegenwärtige Abstammungsrecht den gesellschaftlichen Anforderungen nicht gerecht wird, sollte eine große Koalition nicht zu zaghaft an dieses Thema herangehen. Nimmt sie ihren Programmsatz ernst, dass sie keiner Familie ein bestimmtes Familienmodell vorschreiben möchte, liegt viel Arbeit vor ihr. Sollte die große Koalition tatsächlich realisiert werden, ist daher zu hoffen, dass sich der Gesetzgeber der Materie zügig und besonnen annehmen wird.

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