BGH: Südafrikanische Co-Mutterschaft verstößt nicht gegen den kollisionsrechtlichen ordre public


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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 20.4.2016 (Az. XII ZB 15/15) entschieden, dass eine nach südafrikanischem Recht kraft Gesetzes erfolgte Zuordnung der weiblichen Ehegattin der Geburtsmutter als Co-Mutter nicht gegen den ordre public (Art. 6 EGBGB) verstößt und in Deutschland somit anzuerkennen ist.

1. Sachverhalt

Der Fall betraf die Nachbeurkundung der Geburt eines in Südafrika im Wege medizinisch-assistierter Reproduktion gezeugten Kindes im deutschen Personenstandsregister. Eine deutsch-südafrikanische Doppelstaaterin, die mit der südafrikanischen Geburtsmutter in einer „civil union type marriage“ des südafrikanischen Rechts lebt, war dem Kind nach Sec. 40 I lit. a des Children’s Act 38 von 2005 i.V.m. Sec. 13 I Civil Union Act 17 von 2006 als weiterer rechtlicher Elternteil zugeordnet worden. Beide Elternteile beantragten mit konsularisch beglaubigter Erklärung vom 23.6.2012 die Eintragung in das deutsche Geburtenregister. Dies lehnte das Standesamt ab. Eine Beschwerde blieb in erster Instanz erfolglos, in zweiter Instanz obsiegte das Ehepaar. Über die zugelassene Rechtsbeschwerde hatte der BGH zu entscheiden.

2. Entscheidung des Gerichts

Der BGH hat entschieden, dass die Co-Mutterschaftszuordnung nicht gegen den kollisionsrechtlichen ordre public verstößt und somit im Inland anzuerkennen ist.

Die Begründung enthält folgende wesentliche Feststellungen:

  1. Die Abstammungsanerkennung kann nicht über das CIEC-Übereinkommen vom 12.9.1962 zur Feststellung der mütterlichen Abstammung nichtehelicher Kinder erfolgen, da das Abkommen in seinem Anwendungsbereich auf die Angleichung verschiedener Systeme der rechtlichen Mutter-Kind-Zuordnung abzielt und nicht die Anerkennung von Mit- oder Co-Mutterschaften betrifft.
  2. Die Abstammung des Kindes richtet sich nach Art. 19 EGBGB, da die gesetzliche Zuordnung der Co-Mutter als rechtlicher Elternteil des Kindes funktional der gesetzlichen Abstammungszuordnung des Vaters entspricht und somit nicht, wie teilweise vertreten, dem Adoptionsstatut des Art. 22 EGBGB unterfällt.
  3. Art. 19 I EGBGB enthält gleichberechtigte Alternativanknüpfungstatbestände (Fortsetzung der bisherigen Rechtsprechung). Die sich hier nicht stellende Problematik der Zuordnung verschiedener Personen als Elternteil durch die alternativ heranzuziehenden Rechtsordnungen wird explizit offen gelassen
  4. Art. 17b EGBGB umfasst als Kollisionsnorm neben gleichgeschlechtlichen registrierten Partnerschaften ausländischen Rechts ebenfalls gleichgeschlechtliche Ehen.
  5. Art. 17b IV EGBGB (Kappungsregel), der die Wirkungen einer ausländischen eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft auf die Wirkungen begrenzt, die das deutsche Lebenspartnerschaftsrecht für eingetragene Lebenspartner vorsieht, findet keine Anwendung auf Abstammungsfragen, da die Zuordnung der rechtlichen Abstammung keine Wirkung ist, die aus der Lebenspartnerschaft selbst folgt.
  6. Der „ordre public“-Vorbehalt des Art. 6 EGBGB steht der Anerkennung der Co-Mutterzuordnung nicht entgegen.Insbesondere stellt die Tatsache, dass das Kind bei Anerkennung der Co-Mutterzuordnung Kind gleichgeschlechtlicher Eltern würde, keinen Grund für die Annahme eines „ordre public“-Verstoßes dar. Das Gericht verweist hier insbesondere auf seine Entscheidung zur Leihmutterschaft und stellt fest, dass die dort zum verfahrensrechtlichen „ordre public international“ getroffenen Feststellungen auch im Rahmen des kollisionsrechtlichen ordre public des Art. 6 EGBGB gelten .Ein Verstoß ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, dass der Samenspender als genetischer, nicht rechtlicher Vater von der Vaterposition ausgeschlossen sei. Dass das südafrikanische Recht ihm kein Anfechtungsrecht gewähre, sei nicht ausschlaggebend, da das deutsche Recht in der konkreten Situation der heterologen Insemination bei verschiedengeschlechtlichen Paaren zu demselben Ergebnis führe.

    Darüber hinaus sei unerheblich, ob das Kind im Rahmen der heterologen Insemination nach südafrikanischem Recht die Co-Mutterschaft anfechten könne. Die Fragen der Abstammungszuordnung und die der Abstammungsbeseitigung seien zu trennen und könnten unterschiedlichen Regeln unterliegen.

    Auch das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung stehe der Anerkennung letztlich nicht entgegen.

3. Bewertung

Die Entscheidung ist sehr zu begrüßen. Der BGH schafft damit eine Leitlinie für die Anerkennung von Co-Mutterschaften, die derzeit bereits in vielen Ländern Europas existieren (siehe etwa zum dänischen Recht hier oder zur Duo-Mutterschaft im niederländischen Recht hier). Zuletzt hat Österreich eine solche Regelung mit dem FMedRÄndG 2015 eingeführt.

Auch inhaltlich ist dem BGH zuzustimmen. Dass dieser von der Anerkennungsfähigkeit der Co-Mutterschaft in der vorliegenden Konstellation einer medizinisch-assistierten Reproduktion ausgehen würde, hat sich nach der Entscheidung zur Leihmutterschaft (dazu hier im Blog) bereits angekündigt. Das Ergebnis überrascht daher nicht.

Nicht gleichsam absehbar waren allerdings die zustimmungswürdigen Aussagen zur Qualifikation gleichgeschlechtlicher Ehen (hier Heranziehung des Art. 17b EGBGB) und zum Anwendungsbereich des Art. 17b IV EGBGB im Bereich der Abstammung (hier Verneinung der Anwendung).

Wünschenswert wäre allerdings gewesen, dass der BGH auch zu der Frage Stellung bezieht, ob Art. 19 I 3 EGBGB (Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut im Geburtszeitpunkt des Kindes bei verheirateter Mutter) analog auf gleichgeschlechtliche Ehen anzuwenden ist, und ob dann über den Verweis des Art. 19 I 3 EGBGB ebenfalls § 17b EGBGB analog zur Anwendung kommt. Die Frage ist in Literatur und Rechtsprechung durchaus kontrovers diskutiert.

Letztlich ist fraglich, wie der BGH seinen Einwurf meint, dass Abstammungsherstellung und Abstammungsbeseitigung zu trennen sind und unterschiedlichen Regeln unterliegen können. Richtig ist, dass das anwendbare Recht sich bei der Abstammung nach Art. 19 EGBGB, bei der Anfechtung nach Art. 20 EGBGB richte. Hieraus kann sich durchaus die Anwendbarkeit unterschiedlicher Rechte und damit Regeln ergeben. Ganz unerheblich ist das Bestehen eines Anfechtungsrechts aber auch für die Frage der Anerkennung einer Abstammungsherstellung nicht. So kann etwa in einem Fall außerhalb der klassischen Samenspende ein Verstoß gegen das Recht des genetischen, nicht rechtlichen Vaters aus Art. 6 II GG zu verneinen sein, wenn zwar das herangezogene Abstammungsstatut diesem ein Anfechtungsrecht verwehrt, das Anfechtungsstatut, das davon abweichen kann, aber ein solches Anfechtungsrecht bereitstellt. Das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Abstammungsrechts führt dann nicht dazu, dass dem genetischen, nicht rechtlichen Vater die Elternstellung generell versagt wäre. Er kann nach dem anwendbaren Anfechtungsstatut die Co-Mutterschaft beseitigen und danach Feststellung seiner eigenen Vaterschaft betreiben.

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