Anton Jukic: Schöne neue Welt – Das neue kroatische Familienrecht


Mit dem neuen Familiengesetz (kroatisch: Obiteljski zakon, kundgemacht im Amtsblatt Narodne novine 75/2014 vom 20.6.2014, Inkrafttreten größtenteils am 1.9.2014, im Weiteren kurz: nFamG) wollte der kroatische Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung sowohl die in der Strategie für die Entwicklung des Sozialsystems im Zeitraum 2011-2016 genannten Ziele umsetzen als auch die in den Berichten des Ombudsmanns für die Rechte der Kinder aufgeführten Probleme lösen. Auf dem Gebiet des Abstammungsrechts betrifft dies insbesondere das Recht der Eltern (zumeist der Väter) auf Umgang mit dem Kind nach einer Scheidung.

Angemerkt sei, dass auf die im Wesentlichen nur noch bis 31.8.2014 anwendbaren Bestimmungen des alten Familiengesetzes aus dem Jahr 2003 (das während seines Bestehens insgesamt 7 Änderungen erfahren hat) nicht näher eingegangen wird.

Dem eingangs genannten Bericht des Ombudsmanns ist zu entnehmen, dass im Jahr 2011 allein beim Ombudsmann 306 Fälle angezeigt wurden, in denen Kinder bei der Realisierung ihres Rechts auf Umgang mit beiden Elternteilen auf Schwierigkeiten gestoßen sind. Im Jahr 2012 ist diese Zahl um mehr als 30% auf insgesamt 403 Anzeigen gestiegen. Wie der Gesetzesbegründung für das neue Familiengesetz aus dem Jahr 2014 zu entnehmen ist, liegen diesen Schwierigkeiten nicht selten manipulative Handlungen desjenigen Elternteils zugrunde, bei dem die Kinder nach der Scheidung leben. Eine nähere Beleuchtung verdient (nicht nur) vor diesem Hintergrund zunächst die Frage, wie und wann in Kroatien überhaupt eine eheliche oder außereheliche Lebensgemeinschaft entsteht, um in einem weiteren Schritt die Grundzüge des Abstammungsrechts darstellen zu können.

Ehe und Eheähnliches

Neben der standesamtlichen Eheschließung kennt das kroatische Familienrecht bereits seit geraumer Zeit auch die kirchliche Eheschließung. Beide Formen der Eheschließung stehen rechtlich gleichwertig nebeneinander (Art. 22 nFamG). Dem Institut der Ehe als solchem kommt allerdings keine Monopolstellung für das institutionalisierte Zusammenleben von Mann und Frau zu: Einer gesetzlichen Regelung erfreut sich auch die in Art. 11 nFamG normierte außereheliche Lebensgemeinschaft (kroatisch: izvanbračna zajednica), die durch das drei Jahre lang andauernde Zusammenleben einer unverheirateten Frau und eines unverheirateten Mannes entsteht. Kommt bei dieser Form des Zusammenlebens bereits vor Erreichen der Dreijahresschwelle ein gemeinsames Kind zur Welt, so entsteht die gesetzlich geregelte außereheliche Lebensgemeinschaft durch Geburt des Kindes. Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung (Art. 11 Abs. 2 nFamG) entfaltet die außereheliche Lebensgemeinschaft dieselben persönlichen und vermögensrechtlichen Wirkungen wie eine Ehe.

Elternschaft

Die Feststellung der Elternschaft folgt zunächst den hierfür wohl klassischen Regeln: als Mutter des Kindes gilt die Frau, die es zur Welt gebracht hat (Art. 58 nFamG), während der Ehemann (bzw der außerehelich Lebenspartner) der Mutter als Vater des während dieser Ehe (bzw. außerehelichen Lebensgemeinschaft), oder höchstens 300 Tage nach deren Beendigung, geborenen Kindes angesehen wird (sog gesetzliche Vermutung der Vaterschaft, Art. 61 Abs. 1 nFamG).

Sollte diese gesetzliche Vermutung nicht greifen, so ermöglicht Art. 62 nFamG die Anerkennung der Vaterschaft (vor einem Standesbeamten, dem Sozialamt oder einem Gericht sowie testamentarisch). Voraussetzung für eine wirksame Anerkennung der Vaterschaft ist gemäß Art. 63 nFamG die Volljährigkeit des Erklärenden; Minderjährige können die Vaterschaft nur anerkennen, falls (i) sie älter als 16 Jahre sowie in der Lage sind, Bedeutung und Folgen der Anerkennung zu begreifen, oder (ii) bei Personen unter 16 Jahren der gesetzliche Vertreter die Zustimmung zur Anerkennung erteilt. Damit eine Anerkennung der Vaterschaft (kroatisch: priznanje očinstva) rechtswirksam wird, bedarf es zudem gemäß Art. 64 nFamG der Zustimmung der Mutter (bzw des Vormunds des Kindes mit Einwilligung des Sozialamts, falls die Mutter verstorben oder nicht auffindbar sein sollte) sowie des Kindes selbst, falls dieses das 14. Lebensjahr vollendet hat. Ein einmal erklärtes Anerkenntnis der Vaterschaft ist gemäß Art. 65 Abs. 1 nFamG unwiderruflich.

Für zum Teil kontrovers geführte Diskussionen haben in diesen Fällen in der Vergangenheit immer wieder die Bestimmungen betreffend das Vorgehen des Standesamtes und des Sozialamtes gesorgt. Wird der Vater des Kindes nicht bis zur standesamtlichen Eintragung des Kindes in das Geburtenverzeichnis von der Mutter benannt, so soll der Standesbeamte kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung die Mutter auf das Recht des Kindes auf Kenntnis von seinem Vater hinweisen und damit letztlich auf die Benennung des Vaters hinwirken. Bleibt der Vater des Kindes dennoch unbekannt, so muss der Standesbeamte die entsprechende Rubrik leer lassen und das Sozialamt hierüber unterrichten, das anschließend in einem Gespräch mit der Mutter nochmals auf die Benennung des Vaters hinwirken soll.

Besondere Bestimmungen beinhaltet das nFamG in Art. 82 f für die Feststellung der Elternschaft im Wege künstlicher Befruchtung gezeugter Kinder. Sind die sondergesetzlichen Bestimmungen betreffend die Reproduktionsmedizin eingehalten worden, so gilt die Frau, die das Kind zur Welt gebracht, unanfechtbar als dessen Mutter. Liegt allerdings nicht das Einverständnis aller Beteiligten vor, so kann diese Mutterschaft angefochten werden. Die Feststellung der Vaterschaft erfolgt unter analoger Anwendung der vorstehend dargestellten Bestimmungen des nFamG, wobei als besonderes Erfordernis noch die Zustimmung des Ehemanns bzw. die Zustimmung und ausdrückliche Anerkenntnis des Kindes durch den außerehelichen Lebenspartner hinzukommen.

Und bist Du nicht willig…

Laufen sowohl die gesetzliche Vermutung der Vaterschaft als auch ein Anerkenntnisverfahren ins Leere, so kann die Vaterschaft nur noch im Wege einer Klage gemäß Art. 70 ff nFamG festgestellt werden. Aktiv legitimiert hierfür sind das Kind (bis zur Vollendung seines 25. Lebensjahres, Art. 383 nFamG), dessen Mutter, der sich als Vater ansehende Mann sowie das Sozialamt (beide bis zur Volljährigkeit des Kindes, Art. 384 und 387 nFamG).

Grundsätzlich können sowohl die Mutterschaft als auch die Vaterschaft (Art. 75 ff nFamG) ohne das Vorliegen besonderer Gründe angefochten werden. Ausgeschlossen ist dies allerdings, wenn die Mutter- bzw. Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde(n).

Die Anfechtung der Mutterschaft (kroatisch: osporavanje majčinstva) kann durch das Kind (wiederum bis zur Vollendung seines 25. Lebensjahres, Art. 393 nFamG), die im Geburtenverzeichnis eingetragene Mutter sowie – unter Beantragung der gleichzeitigen Feststellung ihrer Mutterschaft – die sich als Mutter ansehende Frau erfolgen (beide bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres des Kindes).

Bei der Anfechtung der Vaterschaft (kroatisch: osporavanje očinstva) hingegen muss differenziert werden, ob eine eheliche Vaterschaft oder eine auf Anerkenntnis beruhende Vaterschaft angefochten wird. Erstere kann durch das Kind (auch hier bis zur Vollendung seines 25. Lebensjahres, Art. 400 nFamG), dessen Mutter (lediglich innerhalb von sechs Monaten ab der Geburt des Kindes, Art. 404 nFamG) sowie deren Mann (bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres des Kindes, Art. 401 nFamG), zweitere hingegen durch das Kind (innerhalb der für den ersten Fall genannten Frist), den im Geburtenverzeichnis als Vater des Kindes eingetragene Mann (bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres des Kindes, Art. 402 nFamG) sowie den sich als Vater des Kindes ansehenden Mann (innerhalb einer Frist von einem Jahr ab Eintragung des Anerkenntnisses im Geburtenverzeichnis, Art. 403 nFamG) angefochten werden.

Schlussanmerkungen

Das kroatische Familienrecht stellte bisher eine Dauerbaustelle dar, auf der nicht selten weltanschauliche Konflikte ausgetragen wurden. Die im Vordergrund dieses Beitrags stehenden Aspekte der Eheschließung und des Abstammungsrechts standen allerdings nicht im Brennpunkt des Gesetzgebers, sondern sind in wesentlichen Punkten seit geraumer Zeit unverändert.

Es bleibt abzuwarten, welchen Einfluss die im Südosten der EU offensichtlich besonders hartnäckig wirkende Wirtschaftskrise auf die Stabilität familiärer Beziehungen nehmen wird. Ein positives Umfeld für Familien zu erkennen erfordert dabei ein ganz beachtliches Maß an Phantasie.

Veröffentlicht am

von

in

,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.