Hat die Wunschmutter Anspruch auf Mutterschaftsurlaub? Nein, sagt der EuGH!


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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 18.3.2014 entschieden (Rechtssache C-167/12), dass eine Wunschmutter, d.h. die Frau, die einem Kind, das von einer Leihmutter geboren wurde, aufgrund einer Leihmutterschaftsvereinbarung als rechtliche Mutter zugeordnet wird, keinen Anspruch auf Mutterschaftsurlaub aus dem Unionsrecht ableiten kann. Die Sache ist damit aber noch nicht erledigt, denn das Unionsrecht sieht lediglich eine Mindestharmonisierung vor. Das vorlegende Gericht hat daher zu entscheiden, ob sich ein Anspruch auf Mutterschaftsurlaub ggf. aus dem englischen Recht ergibt. Die klagende Wunschmutter ist im konkreten Fall letztlich nicht vor Probleme gestellt, da der Arbeitgeber ihr einen entsprechenden Urlaub bewilligt hat.

Sachverhalt

Die Entscheidung betrifft die Konstellation, in der eine Wunschmutter (die spätere Klägern „D.“) bei Ihrem Arbeitgeber (späterer Beklagter „S.T.“) Adoptionsurlaub unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts beantragt hatte. Der Arbeitgeber hatte dies jedoch verneint, da eine Wunschmutter, die über eine im Vereinigten Königreich zulässige (vgl. Section 54 Human Fertilisation and Embryology Act 2008) Leihmutterschaftsabrede die rechtliche Elternstellung für ein Kind erlangt habe, nicht unter die betreffenden Anspruchsgrundlagen falle. Nach den arbeitgebereigenen Regelungen, welche einen bezahlten Mutteschafts- und Adoptionsurlaub vorsehen, kommt ein Adoptionsurlaub nur dann in Betracht, wenn ein sog. „matching certificate“ vorgelegt werden kann. Ein solches gibt es bei Leihmutterschaftskonstellationen aber nicht.

Die Klägerin selbst hat das Kind nicht ausgetragen, sie war zu keinem Zeitpunkt schwanger und verfügt auch nicht über einen genetischen Link zu dem Kind, da für die Zeugung keine von ihr stammende Eizelle genutzt wurde. Gleichwohl hat sie das Kind über einen Zeitraum von 3 Monaten gestillt.

Die Klägerin erhob am 7.6.2011 Klage beim Employment Tribunal Newcastle upon Tyne, da sie sich in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzt fühlte. Auf einen weiteren Antrag auf Urlaubserteilung wies der Arbeitgeber der Klägerin unter Berufung auf seinen „Ermessensspielraum“ den beantragten Urlaub zu und erklärte eine entsprechende Anwendung der Regelung über den Adoptionsurlaub. Der Arbeitgeber machte allerdings vor Gericht weiter geltend, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Mutterschaftsurlaub habe, da sie das Kind nicht geboren habe. Das Gericht setzte das Verfahren aus und legte dem Europäischen Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1.      Verschaffen Art. 1 Abs. 1 und/oder Art. 2 Buchst. c und/oder Art. 8 Abs. 1 und/oder Art. 11 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 92/85 einer intendierten Mutter, die ein Kind im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung bekommen hat, Anspruch auf Mutterschaftsurlaub?

2.      Verschafft die Richtlinie 92/85 einer intendierten Mutter, die ein Kind im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung bekommen hat, Anspruch auf Mutterschaftsurlaub, wenn sie

a)      das Kind nach der Geburt stillen kann und/oder

b)      das Kind nach der Geburt tatsächlich stillt?

3.      Stellt es einen Verstoß gegen Art. 14 in Verbindung mit Art. 2 Abs. l Buchst. a und/oder b und/oder Art. 2 Abs. 2 Buchst. c der Neufassung der Gleichbehandlungsrichtlinie (Richtlinie 2006/54) dar, wenn ein Arbeitgeber sich weigert, einer intendierten Mutter, die ein Kind im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung bekommen hat, Mutterschaftsurlaub zu gewähren?

4.      Liegt aufgrund der Beziehung der Arbeitnehmerin zur Ersatzmutter des Kindes ein potenzieller Verstoß gegen Art. 14 in Verbindung mit Art. 2 Abs. l Buchst. a und/oder b und/oder Art. 2 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2006/54 vor, wenn einer intendierten Mutter, die ein Kind im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung bekommen hat, die Gewährung von Mutterschaftsurlaub verweigert wird?

5.      Liegt aufgrund der Beziehung der intendierten Mutter zur Ersatzmutter des Kindes ein potenzieller Verstoß gegen Art. 14 in Verbindung mit Art. 2 Abs. l Buchst. a und/oder b und/oder Art. 2 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2006/54 vor, wenn eine intendierte Mutter, die ein Kind im Rahmen einer Ersatzmuttervereinbarung bekommen hat, ungünstiger behandelt wird?

6.      Sofern Frage 4 zu bejahen ist: Reicht der Status der intendierten Mutter als intendierte Mutter aus, um ihr einen Anspruch auf Mutterschaftsurlaub aufgrund ihrer Beziehung zur Ersatzmutter des Kindes zu verschaffen?

7.      Sofern eine der Fragen 1, 2, 3 oder 4 zu bejahen ist:

7.1.      Ist die Richtlinie 92/85, soweit sie hier von Bedeutung ist, unmittelbar wirksam und

7.2.      ist die Richtlinie 2006/54, soweit sie hier von Bedeutung ist, unmittelbar wirksam?

Entscheidung des EuGH

Vorlagefragen 1 und 2 betreffen im Wesentlichen die Frage, ob eine Wunschmutter – das Gericht nennt sie unpassend „Bestellmutter“ – aus Art. 8 der Richtlinie 92/85/EWG einen Anspruch auf Mutterschaftsurlaub ableiten kann. Art. 8 sieht folgende Regelung vor:

Art. 8 („Mutterschaftsurlaub“) der Richtlinie 92/85 lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass den Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 ein Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen ohne Unterbrechung gewährt wird, die sich entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten auf die Zeit vor und/oder nach der Entbindung aufteilen.

(2)      Der Mutterschaftsurlaub gemäß Absatz 1 muss einen obligatorischen Mutterschaftsurlaub von mindestens zwei Wochen umfassen, die sich entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten auf die Zeit vor und/oder nach der Entbindung aufteilen.“

Ziel der Regelung ist es, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz zu verbessern, da dieser Personenkreis besonderen Risiken ausgesetzt ist (vgl. Erwägungsgrund 8 der Richtlinie) und situationsbedingt eine besondere Verletzlichkeit besteht.

Mutterschaftsurlaub diene in erster Linie dem „Schutz der körperlichen Verfassung der Frau während und nach [der] Schwangerschaft“ (Rn. 34 des Urteils) und der „besonderen Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Kind während der an Schwangerschaft und Entbindung anschließenden Zeit“. Diese Beziehung werde gestört, wenn die Arbeitnehmerin in dieser Zeit Arbeiten müsse.

Diese Schutzaspekte knüpften, so der Gerichtshof, an die „Entbindung“ an, da die besondere Schutzbedürftigkeit der Mutter sich erst aufgrund der Schwangerschaft und Geburt einstelle. Der Schutz des Art. 8 setze daher voraus, dass die Mutter schwanger gewesen sei und selbst entbunden habe (vgl. Rn. 37 des Urteils).

Die Klägerin falle daher unabhängig von der Tatsache, dass sie das Kind selbst gestillt habe, nicht in den Schutzbereich des Art. 8. Der Gerichtshof betont allerdings, dass es sich bei der Regelung lediglich um eine Mindestharmonisierung handle, die Mitgliedstaaten könnten daher in ihren nationalen Rechten weitergehende Schutzmechanismen vorsehen.

Konsequenterweise kommt der Gerichtshof auch zu dem Ergebnis, dass eine unzulässige Diskriminierung der Wunschmutter aufgrund des Geschlechts nicht vorliegt (vgl. Rn. 44 ff.).

Bewertung

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Die Regelung des Art. 8 der Richtlinie sieht einen Mutterschaftsurlaub lediglich für die gebärende Frau vor, da sich aus der Schwangerschafts- und Geburtssituation eine besondere Schutzbedürftigkeit ergibt. Der Gerichtshof hat dies i.E. zutreffend herausgearbeitet, wenngleich man sich ein wenig mehr Begründungstiefe gewünscht hätte. Einer Wunschmutter steht, anders als einer Leihmutter, die das Kind zur Welt gebracht hat,  damit aus dem Unionsrecht kein Anspruch auf Mutterschaftsurlaub zu.

Was lässt sich aus der Entscheidung ableiten für die endgültige Entscheidung vor dem Employment Tribunal? Jedenfalls zwei Dinge:

  1. Das Unionsrecht knüpft den Schutz des Art. 8 an die Schwangerschaft und Geburt an
  2. Art. 8 RL 92/85/EWG stellt eine Mindestharmonisierung dar, die es Mitgliedstaaten nicht verwehrt weitergehende Regelungen zu schaffen

Damit wird das Employment Tribunal sich folgende Fragen stellen und beantworten müssen:

  1. Setzt das englische Recht Art. 8 RL 92/85/EWG überschießend um, d.h. gewährt das englische Recht neben dem zwingenden Mutterschaftsurlaub nach Art. 8 der RL auch Wunschmüttern einen solchen?
  2. Liegt möglicherweise eine unzulässige Diskriminierung darin, dass der Arbeitgeber zwar einen Mutterschaftsurlaub auch in Adopitonskonstellationen, nicht aber in Leihmutterschaftsfällen gewährt?

Anders, als in manchen Urteilsberichten zu lesen ist, hat der EuGH zur Frage des Adoptionsurlaubs nicht Stellung genommen. Das konnte er deshalb nicht, da ein solcher in Art. 8 RL 92/85/EWG gar nicht vorgesehen ist. Im Ergebnis spricht jedoch viel dafür, in der Nichtgewährung von Mutterschaftsurlaub in Leihmutterkonstellationen eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zu sehen, wenn ein solcher in Adoptionskonstellationen gewährt wird, da beide Sachverhalte sich sehr ähneln und beide Situationen nicht an eine Schwangerschaft oder Geburt anknüpfen.

Da der Klägerin im vorliegenden Fall ein Adoptionsurlaub aber entsprechend gewährt wurde, liegt schon keine Ungleichbehandlung vor. Sollte das Employment Tribunal daher der Ansicht sein, dass das englische Recht Art. 8 der RL nicht überschießend umsetzt, d.h. nicht auch einen Mutterschaftsurlaub für Wunschmütter vorsieht, wird die Klägerin im Verfahren wohl unterliegen.

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